Edina Müller Rollstuhlbasketballerin und Parakanutin
„Man darf es sich nicht immer leicht machen“

Die Athletin ist nahezu jeden Tag auf dem Wasser / Foto: privat
Edina Müller ist eine Ausnahm-Athletin. Allein 2021 gewann sie innerhalb weniger Tage bei den Paralympics und bei der WM die Gold- und Silbermedaille im Kajak – auf zwei verschiedenen Kontinenten. Maßgeblich für ihren Erfolg ist die richtige Selbsteinschätzung und der Rückhalt der Familie
Gold in Tokio, wenige Tage später Silber in Kopenhagen – obwohl Sie kaum Zeit hatten, sich an die Zeitverschiebung zu gewöhnen. Wie haben Sie das geschafft?
Ehrlich gesagt, war ich nicht top vorbereitet für Kopenhagen. Ich war ganz schön platt. Sonst hätte es sicher auch Gold werden können. Natürlich freue ich mich auch über Silber.
Zwei Medaillen in so kurzer Zeit bei zwei unterschiedlichen Wettkämpfen. Das muss Ihnen erst mal jemand nachmachen.
Sind Sie stolz?
Klar bin ich stolz, auch weil die äußeren Umstände nicht immer einfach sind. Ich muss das ja alles selbst finanzieren. In Kopenhagen sollte zum Beispiel das Hotel 220 Euro pro Nacht pro Person kosten. Da waren wir dann halt auf dem Campingplatz. Das war zwar okay, nur kalt. Und ich hatte auf dem Campingplatz keinen Zugang zu den Physiotherapeuten, die sich um uns Athleten kümmern sollten. Die waren im Hotel. Wir haben es dennoch hinbekommen.
Allein in diesem Jahr sind Ihnen Kosten von rund 10.000 Euro entstanden. Wie schaffen Sie es, das zu finanzieren?
Ich bin Einzelsportlerin, da kann ich mir Sponsoren suchen. Theoretisch möchte ich gerne das Geld dafür ausgeben, dass ich top vorbereitet bin. Zum Beispiel mir einen Mentaltrainer nehmen oder noch mal in ein weiteres Trainingslager fahren. Doch meine Förderung ging hauptsächlich dafür drauf, dass ich überhaupt mein Trainingslager und Flüge finanzieren konnte. Und Tokio war natürlich wahnsinnig teuer.
Warum nehmen Sie das alles auf sich?
Das hat verschiedene Gründe. Zum einen bin ich wahnsinnig motiviert und habe einfach Lust, Medaillen zu holen, weil ich das Gefühl habe, damit ist bei mir noch nicht Schluss. Zum anderen ist da mein Sohn. Ich möchte ihm zeigen, dass man nicht freiwillig aufgibt. Dass er, wenn er etwas möchte, es auch schaffen kann.

Olympionikin Birgit Fischer und Edina Müller mit Baby / Foto: privat
Sie sind jetzt 38. Denken Sie allmählich daran, mit dem Leistungssport aufzuhören?
Nein. Ich orientiere mich an Leuten wie der erfolgreichsten deutschen Olympionikin Birgit Fischer, die noch mit 42 Jahren Gold gewonnen hat. So lange es der Körper mitmacht und so lange ich für die Sache brennte gibt es keinen Grund aufzuhören. Ich war dieses Jahr so schnell wie noch nie.
War Ihnen schon als Kind klar, dass Sie Leistungssportlerin werden? Sie haben ja sehr früh angefangen.
Nein. Ich habe immer mit viel Freude Sport getrieben. Ich komme aus einem wahnsinnig sportbegeisterten Haushalt. Meine Mutter ist Fußballfan, außerdem guckt sie Biathlon und Olympia sowieso. Mein Großvater kommt aus Ungarn, hat dort in der zweiten Liga Fußball gespielt. Meine Oma war als Jugendliche in der Handball-Nationalmannschaft. Der Sport war also immer schon in mein Leben integriert.
Sie sitzen seit dem Jahr 2000 im Rollstuhl. Bei dem Unfall waren Sie 16 Jahre alt. Das stelle ich mir sowohl körperlich als auch emotional enorm schwierig vor. Wie sind Sie durch diese Zeit durchgekommen?
Mit 16 ist das Leben ja eh gerade im Umbruch. Nachdem ich den Unfall hatte, habe ich versucht, mich auf andere Sachen zu konzentrieren. Ich bin viel mit Freunden ausgegangen. Erst drei Jahre später hatte ich ein richtiges Tief, kurz vorm Abi. Mir wurde klar, dass ich mir erlauben muss, wegen dieser Tragödie traurig zu sein. Ich glaube, dass dieser Trauerprozess absolut wichtig ist, um damit abschließen zu können und weiterzumachen. Meine Mutter war damals mein Anker. Für sie war das auch nicht einfach, zusammen haben wir uns da raus gezogen. Ich bin der Meinung, wer etwas wirklich aktiv verfolgt, dem öffnen sich immer Türen. Diese Erkenntnis zieht sich durch mein ganzes Leben.

Den Gewinn der Goldmedaille / Foto: privat
Dann würden Sie Ihren Unfall nicht als den lebensverändernden Moment sehen?
Lebensverändernd schon, nur bin ich in einer Situation, die ich selbst beeinflussen kann. Wenn jemand stirbt, kann ich das nicht. Mein Großvater starb, als ich 13 war. Er war meine männliche Bezugsperson und plötzlich einfach weg. Das war schlimm. Natürlich war mein Unfall wie gesagt eine Tragödie, doch nichts, was mich komplett aus der Bahn geworfen hat.
2012 haben Sie Ihre erste paralympische Gold-Medaille im Basketball gewonnen. Warum haben Sie danach die Sportart gewechselt?
Das hatte persönliche Gründe. Die Trainingsumstände passten damals einfach nicht mehr. Im Nachhinein glaube ich, es war einfach an der Zeit aufzuhören. Wenn ich heute zu einem Kajak-Rennen fahre, bin ich aufgeregt und habe Gänsehaut. Solche Momente hatte ich damals beim Basketball nicht mehr.
Was war bisher Ihr größter sportlicher Erfolg?
Das ist schwierig zu sagen, weil ich natürlich mit jedem Erfolg eine besondere Erinnerung verbinde. Die Silbermedaille in Peking bei meinen ersten Paralympischen Spielen war der Wahnsinn. Sich 2012 mit der Mannschaft durchzukämpfen und zusammen Gold zu gewinnen, war auch Wahnsinn. Genauso wie 2016 Silber in Rio: die ersten Paralympics in meiner neuen Sportart. Die Goldmedaille jetzt in Tokio war sicher die am härtesten erkämpfte, auch wegen des Trubels drumherum, weil es für meinen Sohn und meinen Mann so kompliziert war, mich zu begleiten.
Wer ist in solchen Zeiten Ihre größte Stütze?
Meine Mutter hat die Basis für meinen Erfolg als Sportlerin geschaffen. Auf sie konnte ich mich immer zu 100 Prozent verlassen. Dank ihr hatte ich nie Angst, sondern immer das Gefühl, es wird schon gehen. Seit 2012 ist auch mein Partner in so vielen Dingen eine Stütze…..
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