“Sabine Ellerbrock” Rollstuhltennisspielerin

Nach einer Erkrankung schlug sie 2008 einen neuen Weg ein und entdeckte Rollstuhltennis für sich. 2014 war sie dann Platz 1 der Weltrangliste.
Meine ehrlichen Ziele
„Jeder Mensch kann plötzlich in eine Situation kommen, die alles verändert. Jeder Mensch kann von heute auf morgen in eine Situation der Behinderung kommen. Das hatte ich für mich auch nicht auf dem Schirm. Aber es hat alles verändert“, sagt Sabine Ellerbrock und sie weiß, wovon sie spricht.
Im Jahr 2007 erkrankte Sabine Ellerbrock an CRPS I (früher als Morbus Sudeck bezeichnet). Eine Krankheit, die starke neuropathische Dauerschmerzen in Armen oder Beinen mit sich bringt. Bei der damals 32-Jährigen kam eine Fußfehlstellung bzw. eine Einsteifung des Fußes in Sichelform dazu. Bis zu diesem Zeitpunkt war ihr Leben vom Leistungssport geprägt. Zwar hatte sie Sport, Biologie und Mathematik auf Lehramt studiert und arbeitete zu dieser Zeit auch an einem Gymnasium. Doch seit ihrem sechsten Lebensjahr spielte sie Tennis bis hin zur Bundesliga.
„Ich habe mich früher nur über Leistung definiert.
Das hat dazu geführt, dass ich auf andere Bedürfnisse nicht gehört habe. Immer wieder bin ich über Grenzen gegangen, weil ich gemerkt habe, wenn man im Leistungssport nicht die Leistung bringt, die erwartet wird, dann wird man fallen gelassen – wie eine heiße Kartoffel.“ Sabine Ellerbrock hat ihre Grenzen ausgereizt. Neben dem Tennis hat sie noch Basketball, Handball und Fußball gespielt, ist Marathon gelaufen oder war beim Windsurfen. „Als ich meine körperlichen Einschränkungen merkte, wollte ich diese nicht akzeptieren. Es ist einfach schlimm, wenn man merkt, dass man als Mensch anscheinend seine Wertigkeit verliert. Das hat dann dazu geführt, dass ich immer wieder den extremen Weg gesucht habe. Im Nachgang weiß ich, dass ich mit diesem
2020 beendet Sabine Ellerbrock ihre internationale Karriere und ist zu diesem Zeitpunkt die erfolgreichste Rollstuhltennisspielerin Deutschlands. / Foto: Sabine Ellerbrockexzessiven Sporttreiben nur meinen Problemen davongelaufen bin.“
Für Sabine Ellerbrock brach mit der Erkrankung zunächst eine Welt zusammen. Sie verkroch sich immer mehr. Bis sie 2008 selbst merkte, dass es so nicht weitergehen kann. „In so einer Situation hat man nur zwei Alternativen.
Entweder dem alten Weg hinterherlaufen, der aber ins Verderben führt – oder einen neuen Weg einschlagen.
Auch wenn du weißt, dass es nie mehr so wird wie früher.“ Sabine Ellerbrock entschied sich für den neuen Weg. Nach einiger Recherche entdeckte sie Rollstuhltennis für sich. „Ich hatte Glück, denn dank meiner Vorerfahrungen als ‚Fußgängerin‘ im Tennis konnte ich dort relativ schnell wieder Erfolge feiern. Trotzdem war es eine Veränderung. Mit dem Basketballstuhl, den ich anfangs nur zur Verfügung hatte, lag ich zu Beginn oft auf meinem Rücken, weil er nicht kippsicher und nicht passend war. Zudem war ich ganz andere Spielgeschwindigkeiten und eine andere Perspektive als eine sitzende gewohnt, in der man kaum über die Netzkante gucken kann. Aber sich wieder bewegen zu können, war einfach eine Erleichterung.“ Für Sabine Ellerbrock begann eine neue, jedoch sehr erfolgreiche Zeit.
Schon 2010 erreichte sie Platz 14 in der Weltrangliste. Daraufhin entschied sie, sich ausschließlich auf den Sport zu konzentrieren und unbezahlten Urlaub zu nehmen, was sich in den arauffolgenden Jahren auszahlte. Von 2012 bis 2014 feierte sie ihre größten Erfolge. 2013 stand sie in allen Einzel-Grand-Slam-Finals und gewann dabei in Paris. 2014 folgte der Sieg in Melbourne und Platz 1 in der Weltrangliste. „Ich weiß, dass ich das, neben der materiellen Unterstützung durch Sponsoren und dem Beistand von Freunden und Familie, vor allem meiner Disziplin und einem
Durchhaltevermögen zu verdanken habe.
Das Schöne am Sport ist, dass es schnell erfahrbar ist, in welche Richtung es geht.
Dieses Selbstwirksamkeitserleben war auch aus anderen Gründen als meiner Behinderung immer wieder unglaublich wichtig für mich, um auch nach Krisen wieder aufstehen zu können“, womit Sabine Ellerbrock auf Gewalterfahrungen und andere traumatische Erlebnisse anspielt, die auch zu psychischen Problemen in Form einer Posttraumatischen Belastungsstörung führten.
„Durch all die Krisen veränderte sich auch mein Blick auf den Sport. Ich wurde demütiger, sah plötzlich viel bewusster auch die schönen Fassaden des Sports wie z. B. das menschliche Miteinander und lernte kleinere Dinge wieder mehr wertzuschätzen.

Noch wichtiger als der Sport ist Sabine Ellerbrock ihr Job als Lehrerin, in dem sie sich für Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen einsetzt. / Foto: Sabine Ellerbrock
Ich habe gelernt und erkannt, was es für ein Privileg ist, Reisen und viele Dinge auf einer ganz banalen Ebene einfach erleben zu dürfen.
In solchen Momenten mache ich mir auch keinen Druck, sondern genieße das Hier und Jetzt. Das ist das, was ich dann meine ehrlichen Ziele nenne – wenn nur die eigentliche Sache zählt. Nicht andere Dinge wie Geld, Weltranglistenpunkte oder Anerkennung.“
Immer wieder wurde Sabine Ellerbrock von gesundheitlichen Problemen eingeholt. Wie z. B. 2014, als es infolge von postoperativen Komplikationen zu einem Atemstillstand kam, der dazu führte, dass sie 2015 fast wieder bei Null anfangen musste. Doch auch da kämpfte sie sich wieder heraus und erreichte 2017 zwei weitere Einzel-Grand-Slam-Finals. Als sie 2020 ihre internationale Karriere beendet, ist sie die erfolgreichste Rollstuhltennisspielerin in Deutschland. Doch ganz ohne Sport geht es natürlich auch nach ihrem Karriereende nicht. „Ich habe das Tischtennisspielen für mich entdeckt. Auch da habe ich einen gewissen Ehrgeiz. Aber mittlerweile habe ich ein gesundes Mittelmaß gefunden.“
Noch wichtiger als der Sport ist allerdings ihr Job. „Das ist und war immer eine wichtige Kraftquelle. Auch wenn die Doppelbelastung mit dem Leistungssport einer großen Kraftanstrengung bedurfte, beides über fast ein Jahrzehnt unter einen Hut zu bekommen.“ Denn unbezahlten Urlaub hatte Sabine Ellerbrock nur einmal nehmen können – 2012 zur Vorbereitung auf die Paralympics
in London.
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