PAMELA DUTKIEWICZ-EMMERICH


Sport ist ein begrenzter Vertrag, den man mit dem Körper eingeht

Man kann sich  Pamela Dutkiewicz-Emmerich  nicht wirklich in einem langsamen Modus vorstellen. Die Frau, die in 12,61 s die 100-Hürden hinter sich bringt, die 2017 bei den Weltmeisterschaften in London die Bronzemedaille in 12,72 s gewann, die so viel Energie versprüht. Dennoch ist es genau das, was die gebürtige Hessin hat erfolgreich werden lassen.

Als Sportler ist mein Nervensystem immer total angeregt und da brauche ich etwas, was den Körper runterbringt. Spaziergänge, ein Buch lesen, im Café sitzen – Entschleunigung. Einfach alles, was langsam ist“, sagt die 30-Jährige. „Wir sind voller Gegensätze und wenn man das in einer guten Balance hält, tut man seinem Körper und Geist einen großen Gefallen und kann daraus die Kraft schöpfen, die man für seine Arbeit und Erfolge benötigt. Zumal muss der Körper ausgeruht sein, wenn man von ihm eine maximale Leistung erwartet. Deshalb liebe ich Power Naps“, ergänzt sie.

Pamela Dutkiewicz-Emmerich kommt aus einer Sportlerfamilie. Ihre Mutter war Leichtathletin in Polen, ihr Vater Profifußballer. Sport und viel Bewegung waren somit schon von Kindheit an ein wichtiger Teil ihres Lebens. Nachdem sie sich in jungen Jahren in verschiedenen Disziplinen der Leichtathletik ausprobiert hatte, wurde ihr Talent im Hürdenlauf erkannt und gefördert. Doch Talent alleine macht keine großen Erfolge aus. „Spitzensportler zu werden bedeutet auch, Mut zu haben. Du musst mutig sein, ‚all-in‘ zu gehen.“ Als sich mit 15 Jahren ihre ersten Erfolge einstellten, wagt sie den ersten großen Schritt, der ihre Karriere nach vorne brachte. „Ich wusste, bei mir zu Hause im Baunatal ist es wunderschön, aber das hatte nichts mit Höchstleistungssport zu tun. Du brauchst Leute um dich herum, die alle das gleiche Ziel verfolgen.

In dem Moment, in dem ich das richtige Umfeld hatte, habe ich eine Gruppendynamik erlebt, die mich erst richtig mobilisiert hat.“

Im Sportleistungszentrum in Bochum hatte Dutkiewicz-Emmerich genau solch ein Team um sich herum. „Es ist schwer, alles alleine zu bewältigen.

Auf einem Spitzensportler lastet so viel Druck, den du verteilen musst. Da hilft der Trainer, der Sportpsychologie und der Manager. Doch du musst auch immer auf deinen Körper und deinen Geist hören. Dieses Gespür ist sehr wichtig und hilft dir auf deinem Weg zum Erfolg.“ Genau dieses Gespür führte im September 2021 dann auch zu ihrem Entschluss, sich aus dem Spitzensport zurückzuziehen. „Ich habe nie mit mir gehadert, da ich es als Privileg angesehen hatte, diesen Weg gehen zu dürfen. Die Disziplin, die man unbedingt mitbringen muss, wenn man Erfolg haben möchte, hat mir nie etwas ausgemacht, weil ich das machen konnte, was ich liebe. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt und sich das Rädchen nicht mehr richtig drehen lässt.“

Ursprünglich hatte sie sich 2021 die olympischen Spiele in Tokio als Ziel gesetzt. Die Qualifikation war geschafft, doch dann machte der Körper einfach nicht mehr mit. „Es gab so viel Verschleiß. Ich konnte nicht mehr das machen, was ich liebte. Es hat mich frustriert, wenn ich zum Training gegangen bin und wusste, dass die Übung nicht mehr geht“, sagt Dutkiewicz-

Emmerich und fügt hinzu. „Ich musste einsehen, dass der IST-Zustand ein anderer war, als ich es mir gewünscht habe. Es ging einfach nicht mehr. Und da habe ich gemerkt ‚Es ist ein begrenzter Vertrag, den man mit seinem Körper eingeht‘.

Nach so vielen Jahren des intensiven Höchstleistungstrainings, wurde ich durch meinen eigenen Körper ausgebremst.

Ich konnte nicht mehr den Umfang und die Qualität im Training geben, die es gebraucht hätte, um auf Weltklasseniveau performen zu können.“

Doch die 30-Jährige würde im Nachhinein nichts anders machen. Sie hat während ihrer Karriere viele Erfolge feiern können, sie hatte den Mut, Dinge anzusprechen und zu verändern, und sie hat aus Rückschlägen gelernt. Wie 2015. Bei den deutschen Hallenmeisterschaften über 60 Meter Hürden lief sie auf den zweiten Platz. Kurz nach dem Ziel knickte sie mit beiden Füßen um und riss sich beidseitig die Bänder. Das Wettkampfgeschehen war erst einmal lahmgelegt. „Man hat mich oft als Pechvogel bezeichnet. Aber ich habe mich nie so gesehen. Durch meine Eltern wusste ich, dass Erfolg nicht nur geradeaus geht. Erfolg hat zwei Seiten und ich kenne beide. Ich habe diese Rückschläge genutzt und vieles überdacht und geändert. Das ist wichtig. Man muss sich immer fragen, ob man noch auf dem richtigen Weg ist. Wenn man merkt, dass etwas nicht stimmt, dann muss man handeln.“ Genau das hat sie nach ihrer großen Verletzung 2015 gemacht. Sie hat ihr Team neu aufgestellt und danach fingen ihre Erfolge erst richtig an. 2016 qualifiziert sie sich für die Olympischen Spiele in Rio. 2017 Dritte bei den Weltmeisterschaften und 2018 Vizeeuropameisterin. Dennoch holte ihr Körper sie immer wieder ein. Die Zeit, nachdem sie ihren Rücktritt bekanntgegeben hatte, war eine schwierige Phase für Pamela Dutkiewicz-Emmerich.

„Es ist schon krass, sich gegen etwas zu entscheiden, das man liebt.

Aber ich habe es auch mit einem versöhnlichen Auge gemacht. Denn ich wusste, dass ich eine geile Zeit gehabt hatte.“

Sie sieht ihre Zeit als Spitzensportlerin als eine Art „Lebensschule“. „Ich habe während der Zeit alles gelernt. Ich habe ein gutes Gespür dafür bekommen, wer gut für mich ist. Ich weiß, wann ich performen muss oder wie ich mit den unterschiedlichsten Menschen umgehen kann. Und wenn etwas danebengeht, dann weiß ich, wie ich da wieder rauskomme. Durch Reflektion, Mut und Disziplin. Wie man im Business Context sagen würde: Ich habe die Soft Skills fürs Leben gelernt.“

Pamela Dutkiewicz-Emmerich steht vor einem Neuanfang, der ihr allerdings keine Sorgen bereitet. Sie ist als Trainerin in Wattenscheid tätig. Aber vor allem möchte sie ihre Erfahrung und ihr Wissen an den Nachwuchs weitergeben. Dabei wird ihr auch ihre Ausbildung im Systemischen Coaching und Veränderungsmanagement helfen. Ein offenes Ohr für diejenigen zu haben, die am Anfang stehen, das ist für sie auch soziales Engagement. „Es muss nicht immer auf der großen Bühne sein. Es sind oft die feinen, kleinen Dinge, bei denen man soziales Engagement noch mehr leben kann.“

Pamela Dutkiewicz-Emmerich hat ihre Erfolge erreicht, indem sie den Mut hatte, dem zu folgen, was sie interessiert, was sie antreibt. Ihre Devise: „Alle Sachen, die uns interessieren, können wir auch. Man muss nur den Mut haben, den Weg dann auch zu gehen.“ Und ein klein bisschen Ehrgeiz hilft ebenfalls dabei. „Ich dachte immer, dass ich kein kompetitiver Typ bin. Aber jetzt weiß ich, dass dieser emotionale Cocktail das war, was mich immer gefüttert hat. Es zieht sich über viele Bereiche meines Lebens, in denen ich Erfolg haben möchte. Deshalb kann ich mit meiner besten Freundin auch nicht ‚Halligalli‘, das Reaktionsspiel, spielen. Denn das endet im Streit, weil ich auch da die Beste sein möchte“, verrät sie lachend. Aber auch da gilt für sie am Ende –

es ist die Balance, die man im Leben finden muss, um erfolgreich zu sein.