PROF. DR. AUGUST-WILHELM SCHEER


Der Vordenker

Er war seiner Zeit immer voraus:  Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer war der erste Professor für Wirtschaftsinformatik an die Universität des Saarlandes, einem Fach, das es bis dahin noch nicht gab. Mit 42 Jahren gründete er die IDS Scheer AG und damit das drittgrößte IT-Unternehmen Deutschlands. Wer nun einen betagten Computer-Nerd erwartet, der irrt: Er ist weiterhin in seinen Unternehmen aktiv. Seinen Ausgleich findet der 81-Jährige auf der Bühne, er spielt leidenschaftlich Saxofon und ist selbst bei professionellen Musikern hoch angesehen.

Was bedeutet für Sie Erfolg?

Mit dem Begriff Erfolg kann ich wenig anfangen – eher mit dem Begriff Zufriedenheit als Bestätigung eines erreichten Ziels. Aber Zufriedenheit darf nicht zu Hochmut führen, die nächste Herausforderung wartet häufig schon hinter der nächsten Ecke.

Wie startet man eine Karriere – und vor allem ein Unternehmen wie Ihres?

Zur Gründung eines neuen Unternehmens braucht man vor allem Ideen, die dem Markt voraus sind, ein gutes Team und Beharrlichkeit.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Ich führe ein ausgeglichenes Leben zwischen Spannung und Entspannung mit einem disziplinierten Zeitmanagement. Ich kann mich gut auf wesentliche Dinge konzentrieren und weniger wichtige delegieren. Andrew Grove, der ehemalige CEO von Intel, hat den Spruch geprägt: „Only the paranoid survive“. Dem kann ich nur aus vollem Herzen zustimmen. Er meint damit, dass ein ausgeprägtes Radar für aufkommende Gefahren fürs Business unerlässlich ist. Es gilt, Bedrohungen frühzeitig zu erahnen und rechtzeitig gegenzusteuern. Dadurch bin ich mit dem Umgang kritischer Situationen gedanklich vertraut und kann dann, wenn eine eintritt, relativ rational reagieren. Als Unternehmer muss man seine Gefühle im Griff haben, sie dürfen den kühlen Kopf bei wichtigen Entscheidungen nicht beeinflussen.

Wie schaffen Sie es, bestätigt von Ihrem bisherigen Erfolg, offen für Neues zu bleiben?

Innovative Ideen und Strategien faszinieren mich. Jede Diskussion über neue, vielleicht auch gewagte Wege bringt mich ein Stück weiter. Ich lese sehr viele aktuelle Sachbücher, auch und gerade von Autoren, die gegen den Zeitgeist anschreiben. Wenn man sich an deren Ansichten reibt, gelangt man zu neuen Erkenntnissen.

In welcher Atmosphäre sind Sie am effektivsten?

Ich werde häufiger als „Lonely Wolf“ bezeichnet, ich bin aber nicht einsam, sondern liebe das Alleinsein. Ich habe mehrere Wohnorte im In- und Ausland. Die habe ich mir so eingerichtet, dass ich nur mit kleinem Gepäck reisen muss und mich sofort wohfühle. Dort kann ich ungestört lesen, nachdenken, musizieren, joggen, schreiben, konzipieren und Projekte zur Entscheidungsreife bringen.

Wie schaffen Sie es, die Balance zwischen Privatleben und Beruf zu halten? Ich habe gelesen, dass Sie engen Beziehungen im Prinzip abgeschworen haben und heute Ihren Fokus voll auf die Musik und Ihr Unternehmen legen.

Ich denke, es geht immer wieder um „Timing“, so wie ich es in meinem kürzlich erschienenen, gleichnamigen Buch beschrieben habe. Es gibt Phasen, wo berufliche Herausforderungen wenig Raum für Privates lassen, und andere, in denen Privates im Fokus steht. Und auch wenn ich mein Privatleben nicht öffentlich ausbreite, ich habe eine Familie, der ich eng verbunden bin, gute Freundinnen und Freunde. Klammernde Beziehungen vermeide ich. Bei der Gestaltung gemeinsamer Zeit geht es aber weniger um die Quantität, also die Stunden und Tage, die man miteinander verbringt, sondern um die Qualität.

Welche Werte haben Sie Ihren drei Kindern mitgegeben – und haben Sie manchmal das Gefühl, Sie hätten früher vielleicht öfter zu Hause sein sollen?

Ich habe meinen Kindern vor allem vorgelebt, Eigenverantwortung zu übernehmen und mit Mut den eigenen Weg zu gehen. Sie haben alle Bildungschancen erhalten und diese erfolgreich genutzt. Sie wissen, dass ich sie unterstütze, und wir vertrauen uns. Und auch wenn ich in der sogenannten Familienphase beruflich sehr eingespannt war und den Alltag nicht wirklich prägen konnte, sind meine Kinder untereinander sehr loyal und haben selbst Familien gegründet.

Haben Sie auch musikalisch Ziele?

Natürlich möchte ich am Saxofon immer noch ein bisschen besser werden. Ich bin mir aber bewusst, dass das vorrangig harte Arbeit bedeutet. Deshalb nehme ich noch gelegentlich Unterricht. Mein Ehrgeiz wird vor allem durch die sehr talentierten Profi-Musiker, mit denen ich zusammenspiele, gereizt. Nach einem gelungenen Konzertauftritt habe ich Glücksgefühle, die ich nicht missen möchte.

Andere in Ihrem Alter genießen den Ruhestand. Wäre das für Sie überhaupt denkbar oder stünde zu befürchten, dass Sie eine Art „Papa ante Portas“ würden?

Ich genieße es, aktiv zu sein, solange das irgendwie möglich ist. Nur Gesundheitsprobleme könnten mich davon abhalten. Wenn man beim Fahrradfahren aufhört zu treten, fällt man um.

Was würden Sie Ihrem früheren Ich raten?

Ich denke, ich hätte früher das Unternehmer-Gen in mir entdecken und entwickeln sollen – mit 42 Jahren ein Start-up zu gründen, war schon ein bisschen spät.