OTTO WAALKES


Ich finde mich verdammt komisch

Ob jung oder alt – alle kennen und lieben ihn.

Otto Waalkes (74) ist Deutschlands bekanntester Komiker. Seit vielen Jahrzehnten ist der berühmte Ostfriese erfolgreich als Unterhaltungskünstler, Schauspieler, Sänger und Maler. Im Interview verrät Otto, was sein Erfolgs­geheimnis ist, wie er mit Problemen umgeht und wie er sich selber sieht.

Wann ist dir bewusst geworden, dass du ein außergewöhnliches Talent hast?

Ich weiß nicht, ob das ein außergewöhn­liches Talent ist. Mit meiner Unbeholfenheit war ich nur allein auf weiter Flur. Ich habe versucht, ernsthafte Musik zu machen. Dabei ist mir in den kleinen Clubs immer das Mikro runtergefallen. Ich habe mich dann entschuldigt und es ist bis heute bei den Entschuldigungen geblieben … Etwas Besonderes entdeckt an mir habe ich nie. Ich war schon im Kindergarten als kleiner Schauspieler tätig. Ich musste in der Gemeinde so kleine Vorführungen machen. Da wollte ich immer glänzen. Ich war ja immer so zwergenhaft, so klein. Wahrscheinlich hatte ich das Bedürfnis, diesen Fehler zu kompensieren, und da ich musikalisch und auch im Zeichnen gut war, hat mir das sehr geholfen.

Hast du schon als Kind das Ziel gehabt, berühmt zu werden?

Nein, aber ich habe früh angefangen, Musik zu machen. Ich bin schon im Kindergarten aufgetreten. Mit sechs hatte ich meine erste Gitarre. Oft habe ich irgendetwas als Mikrofon genommen und mir vorgestellt, vor großem Publikum zu singen – Tagträume. Aber dass die mal real werden würden, daran habe ich nie geglaubt. Das hat sich einfach so ergeben, als ich für das Kunststudium nach Hamburg kam und in kleinen Clubs aufgetreten bin, für 20 Minuten gab es da 5 Mark.

Du hast einen sehr kleinen, alten Freundeskreis …

Ja. Nach so langer Zeit weißt du, wer es ernst mit dir meint, wer ehrlich ist, wem du vertrauen kannst.

Hast du deshalb kaum neue Freunde?

Ich bin schon offen, aber man wird so oft enttäuscht.

Man spürt, wenn jemand nur mit dir zusammen ist, weil du bekannt bist oder man gewisse Privilegien genießt.

Deswegen bin ich mit den Leuten, mit denen ich schon 30, 40, 50 Jahre befreundet bin, immer noch zusammen. Da zeichnen sich wahre Freunde aus. Und es gibt nur so zwei, drei, denen ich wirklich alles anvertraue.

Von wem hast du dein künstlerisches Talent geerbt?

Von beiden Elternteilen. Der Vater war sehr humorvoll, die Mutter eher konzentriert, religiös. Und das passte natürlich sehr gut. Da haben wir immer viel Spaß gehabt.

Was haben dir deine Eltern auf den Weg mitgegeben?

Die Religiosität meiner Mutter und die Weltlichkeit meines Vaters waren eine gute Mischung. Sie haben mir mit auf den Weg gegeben, Probleme immer sofort anzusprechen, anstatt sie vor sich herzuschieben oder zu verdrängen. Wenn mich etwas bedrückt, spreche ich darüber, und dann ist es vorbei. Sonst schleppt man so etwas ewig mit sich herum.

Kennst du noch Lampenfieber?

Immer. Ich bin immer aufgeregt, vor jedem Auftritt, egal ob in kleinen oder großen Hallen. Ich denke dann immer: „Da ist Publikum, das hat bezahlt, das will dich sehen und es kommt mit einer großen Erwartungshaltung.“ Die zu erfüllen, bereitet mir immer sehr viel Lampenfieber. Aber wenn ich da zu relaxt wäre, würde vielleicht auch die Spontanität flöten gehen.

Wie versuchst du, dich wieder zu beruhigen?

Ich setze mich kurz allein irgendwohin. Und ich geh auf Toilette, obwohl ich gar nicht muss. Dann bin ich beruhigt. Das reicht schon.

Was war die lustigste Panne, die du je hattest?

Oh, Pannen sind ja immer lustig. Zum Beispiel als ich mal in Stuttgart aufgetreten bin. Das war im Winter. Und da es so kalt war, habe ich in der Pause einen Grog getrunken. Der hat mich dann allerdings ein bisschen betrunken gemacht. Sodass ich den Scherz, mit dem ich abgetreten bin, am Anfang der zweiten Hälfte noch mal gemacht habe. Und dann Totenstille beim Publikum … Ich dachte: „Oh Gott, was ist denn jetzt los?“ Das fand ich sehr peinlich. 

Brauchst du Aufmerksamkeit?

Nicht immer. Wenn ich male, muss ich für mich allein sein. Auch wenn ich Gitarre übe. Ich bin sogar ganz gern allein, wahrscheinlich weil ich sonst ja immer genug Leute um mich herum habe. Aber Publikum brauche ich. Danach bin ich süchtig. Bestätigung brauche ich immer wieder, z.B. wenn die Leute mich erkennen. Ich war neulich in München am Stachus und da ruft einer ganz laut „Da ist Otto!“ und alle drehen sich um und schauten mich an. Ich wurde ganz verlegen, vielleicht hätte ich doch nicht so laut rufen sollen.

Wie erklärst du dir, dass jung und alt dich gleichermaßen mögen?

Vielleicht weil ich selbst nie erwachsen geworden bin. Weil da ein kindlicher Geist noch in mir und meiner Komik steckt. Das mögen Ältere, weil sie sich überlegen fühlen, und Jüngere erkennen sich darin wieder.

Worüber kannst du selbst am meisten lachen?

Gute Reime, gute Scherze, wenn man über mich lacht. Über mich selbst kann ich auch sehr gut lachen. Ich finde mich verdammt komisch. Es gibt Scherze, die ich ausprobiere, bei denen die anderen fragen: „Was ist denn daran lustig?“ Es gibt Freunde, die bestimmte Scherze eben nicht mögen. Aber das stört mich nicht. Ich teste alles aus. Ich bin ja kein Witzeerzähler, sondern eher Parodist und Unterhaltungskünstler.

Was ist dein Erfolgsgeheimnis?

Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Vielleicht ist es das. Ich hab einfach immer das gemacht, was mir Spaß macht. Ich gehe so lange auf Tour, solange es gut ankommt. Wenn nicht, dann nicht, dann male ich weiter.

Wann hast du deine Liebe für die Malerei entdeckt?

Ich habe schon als kleines Kind gern gezeichnet. Mein Vater war Malermeister. Auf die Rückseiten seiner Tapeten habe ich immer Sachen gemalt und sogar auch mal bei einem Malwettbewerb teilgenommen. Später habe ich dann Kunst in Hamburg studiert und wurde mit der klassischen Malerei vertraut. Da gab es eine Weiterentwicklung. Und seit ein paar Jahren male ich wieder mehr, habe ein kleines Atelier bei mir zu Hause eingerichtet. Udo Lindenberg war es auch, der mich dazu motiviert hat: „Mach doch! Du kannst das.“ Da hab ich gesagt: „Okay, Udo, wenn Du meinst, dann mach ich das.“

Siehst du selber, wie genial du malen kannst?

Genial nun nicht. Es macht mir einfach Spaß, die Techniken anwenden zu können, vor allem die der alten Meister. Ich verbinde das mit meinen modernen Techniken. Und ich bringe eine kleine ottifantöse Richtung mit hinein. Das Ganze dann immer mit einem kleinen Augenzwinkern.

Aber du weißt schon, dass du sehr, sehr gut malen kannst?

Das kann ich nicht beurteilen. Ich bin zufrieden, wenn mir etwas gelungen ist, z. B. bestimmte Stoffe wie Blech oder Stoff gut herauszuarbeiten. Manchmal ist es auch Glück. Mir macht es Spaß, verschiedene Stilrichtungen auszuprobieren. Und es funktioniert ganz gut. Die Leute kaufen meine Bilder. Das macht mich sehr glücklich.

Gibt es ein Bild, das du nie verkaufen würdest?

Ich verkaufe keines meiner Bilder gern. Zum Glück habe ich von jedem gute Siebdrucke, die dem Original unglaublich ähnlich sind. So kann ich sie bei mir hinhängen. Aber ich bin nicht mehr jung und brauche das Geld … Nein, von irgendetwas muss ich ja leben, wenn ich nicht auf Tournee gehe.

Wie ist dein Umgang mit Geld?

Ich habe kein erotisches Verhältnis zu Geld, kaufe mir keine teuren Sachen, abgesehen von Farben und Pinseln für die Malerei. Ich bin auch nicht gerade modebesessen, eher gleichgültig. Es ist mir egal, was auf den Sachen steht. Ich gebe mein Geld lieber für Vergängliches aus – für Einladungen, Essengehen, und ich mach Freunden gern Geschenke.

Du hast ja einen tollen, eigenen Mode-Stil …

Ja, die Kappe habe ich selbst kreiert. Und auch sonst … Ich habe mir das alles selbst ausgesucht. Weite Hosen vor allem. Gemütlich muss es sein. Ich mag keine engen Sachen. Let him swing.

Was waren die bislang schönsten Momente in deinem Leben?

Ach, es gibt so Momente, da sitzt du am Tisch, mit einem Glas Wein und netten Leuten um Dich herum, einer daneben grillt noch etwas – und das reicht mir schon. Da denke ich: „Wow, was für ein schöner Moment!“ Oder wenn ich ein Bild fertig habe und jemand lobt es. Bestätigung ist unheimlich schön. Für mich ist jeder Tag wichtig. Deswegen gibt es für mich auch eine verkürzte Zukunftsperspektive. Ich lebe von einem Tag in den anderen, genieße jeden einzelnen.

Das können nicht viele …

Könnten sie schon, wenn sie nicht so besessen wären von ihrem Ehrgeiz und verbissen irgendwelche Ziele verfolgten. Das ist leicht gesagt, aber es ist einfach so.

Wie kannst du am besten entspannen, neben dem Malen?

Ich spiele gern Gitarre, setze mich in die Ecke, das ist für mich meditativ, ich habe auch eine kleine Gitarrenecke, zeichne zwischendurch einen Ottifanten, nehme wieder die Gitarre. Und dann geh ich raus in den Garten, trinke Ostfriesentee. Es geht mir sehr gut. Ich fühle mich sehr wohl.

Hast du Angst, dass du irgendwann einmal etwas nicht mehr so gut kannst?

Ja, die habe ich immer schon gehabt. Von klein auf. Auch als es damals losging mit „Otto“. Da habe ich immer gesagt: „Na, ob das gut geht und die Seifenblase nicht zerplatzt …“ Aber solange es geht, freue ich mich darüber. Ich habe ja immer noch andere Möglichkeiten … Man kann auch noch Lieder komponieren, sportlich tätig sein, und mit Tennis kann ich vielleicht auch das eine oder andere Mittagessen gewinnen.

Du hast so viel erreicht. Was wünschst du dir noch?

Ich wünsche mir, dass ich das noch lange weitermachen und dass ich im Show­business noch weiter Spaß haben kann.

Wann kommen dir die besten Ideen?

Das kann man nicht so genau sagen. Morgens ist gut. Abends aber auch. Und mittags!

Versteckst du dich manchmal hinter einer lustigen Fassade?

Nein. Ich bin, wie ich bin. Das würde man ja nicht lange durchhalten, wenn man sich immer verstellen würde. Es gibt keine Fassade. Deswegen funktioniert das alles auch schon so lange.

Viele fragen sich, ob Otto privat auch immer so lustig ist …

Nein, ich versuche oft, ernst zu sein, werde aber nicht ernst genommen. Daraus habe ich das Beste gemacht. Und das scheint irgendwie geklappt zu haben: Die Leute auf der Straße strahlen mich an, wenn sie mich sehen. Ich stelle mir das schrecklich vor, wenn die Leute mich nicht mehr mögen würden. Das würde mir wehtun.

Was war das für dich bislang persönliche Highlight deiner Karriere?

Vielleicht war es die Premiere meines ersten Spielfilms, die im Sommer 1985 in Emden stattgefunden hat – aber so etwas weiß man immer erst, wenn´s vorbei ist.

Woher bekommst du neue Inspirationen?

Wer oder was inspiriert dich?

Ich bin da wie ein Staubsauger: nehme alles auf – auch jeden Dreck – und leere den vollen Sack auf der Bühne wieder aus.

Was motiviert dich immer wieder?

Ganz einfach: mein Publikum und der Applaus.

©Bilder: Daniela Grunwald