CHRISTINA CHRISTIANSEN


Der Job ist wie ein manipulativer Partner

Klimaschutz, Zufriedenheit und beruflicher Erfolg – das geht für sie definitiv Hand in Hand. Sie hat drei Uni-Abschlüsse, lebt mit ihrer Partnerin zusammen und kennt selbst sehr genau die Herausforderungen, die der Spagat zwischen persönlicher Erfüllung und Berufsleben mit sich bringt. Der Tod ihres Vaters 2018 war für sie ein entscheidender Wendepunkt: Sie reflektierte sich selbst. Den Weg eines bewussten und erfüllten Lebens möchte  Christina Christiansen  auch anderen Menschen mitgeben. Und dabei vor allem den Selbstwert stärken.

Christina, warum ist speziell das Thema „Selbstwert“ Kern deiner Arbeit?

Weil es fast jeden betrifft. Mit sich im Reinen zu sein, bedeutet, sich selbst zur Priorität im eigenen Leben zu machen. Viele Menschen haben aufgrund unserer gesellschaftlichen Sozialisierung ein mangelndes Selbstwertgefühl.

Kannst du die negativen Folgen dieser Sozialisierung genauer beschreiben?

Wir kommen auf die Welt wie ein weißes Blatt Papier. Geprägt durch Familie, Freunde, Lehrer:innen, unseren Job, Medien und vieles mehr bemalen wir dieses Blatt mit Formen und Farben. Bei unserem Handeln bedienen wir uns dieser Zeichnungen. Sie sind Annahmen, die wir über uns selbst, andere Menschen und die Welt haben.

Das bedeutet nach deiner Ansicht: Wir handeln und entscheiden stets aufgrund unserer Erlebnisse aus der Vergangenheit …

Genau, das Leben wiederholt sich. Eine neue Situation bewerten wir aufgrund unserer Erfahrungen. Das heißt automatisch: Wir leben nie im Hier und Jetzt.

Das ist wie ein Zyklus: Wir wenden das Alte in der Gegenwart an und verstärken so unsere Annahmen aus der Vergangenheit. Die Menschen malen sozusagen über die bisherigen Zeichnungen noch mal mit einem roten Filzstift drüber und intensivieren so ihre Sicht auf die Welt. Ich möchte das Bewusstsein stärken, diesen Zyklus zu durchbrechen, damit wir wieder im „Hier und Jetzt“ ankommen.

Du bringst also mit deiner Arbeit Menschen dazu, „neue Bilder zu malen“. Ist das auch der Grund, weshalb dir das Coaching an Schulen so wichtig ist?

Ganz genau. Jugendliche wissen oft nicht, welchen Weg sie einschlagen sollen. Nach dem Abitur orientieren sie sich an den Fächern, in denen sie gute Noten haben. Mit meiner Arbeit möchte ich ihnen die Selbstständigkeit geben, ihre Leidenschaften herauszufinden – unabhängig vom Zeugnis. Ich helfe den Jugendlichen dabei, sich selbst kennenzulernen.

Auch Erwachsene fühlen sich häufig orientierungslos. Corona, der Ukraine-Krieg, die Klimakrise und steigende Ölpreise beschäftigten viele von uns in den vergangenen Monaten. Wie fängst du diese aktuellen Themen und Probleme in deiner Arbeit auf?

Diese Herausforderungen sind an vielen Menschen nicht spurlos vorbeigegangen. Vielmehr schaffen sie Unsicherheit. Mit meiner Event-Reihe „Die Veranstaltung“ hole ich die Menschen mit elf Expert:innen bei ihren Ängsten zu den Themen Finanzen, Partnerschaft und Gesundheit ab. Wir unterstützen darin, mehr Leichtigkeit, Gelassenheit und Energie für den Beruf und das Privatleben aufzubringen.

Hat eine deiner Kund:innen im Laufe der Zusammenarbeit den Job geschmissen?

Ja, ich habe mit einer Managerin gearbeitet, die im Job sehr unzufrieden war. Das Privatleben kam zu kurz, der Partner fühlte sich vernachlässigt. Ein Klassiker also. Sie hatte das Gefühl, keinem richtig gerecht werden zu können. Eine ihrer Leidenschaften war das Zeichnen. Genau dafür fehlte ihr aber die innere Ruhe. Nach dem Coaching achtete sie viel mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse. Sie hat den Job an den Nagel gehängt, arbeitet jetzt hauptberuflich als Malerin und führt eine gesunde Beziehung.

Was für ein schönes Beispiel eines ganz neu eingeschlagenen Wegs. Was bremst in deinen Augen das private Glück der meisten Menschen?

Vereinfacht ausgedrückt:

Wir verbringen zu wenig Zeit mit Menschen und Dingen, die wir lieben, und zu viel Zeit mit Tätigkeiten, die uns Kraft kosten. Der Job ist wie ein manipulativer Partner, der Aufmerksamkeit auf sich zieht und uns finanziell, körperlich und psychisch in den Ruin treibt. Ich unterstütze Geschäftsfrauen dabei, ihre berufliche Beziehung zu hinterfragen. Wir decken die wahre Wurzel für Unzufriedenheit und Unausgeglichenheit auf. Mein Coaching-Programm geht sechs Monate mit nachhaltiger Veränderung. Meine Erfahrung ist: Wenn die innere Ruhe am höchsten ist, dann ist der Erfolg auch am größten. 

Wie erklärst du dir dann den wirtschaftlichen Erfolg von Geschäftsführer:innen oder Gesellschafter:innen, die nicht in ihrer Mitte sind? Auf den ersten Blick passt das mit deiner Erfolgsformel nicht zusammen.

Auch unausgeglichene Menschen können Erfolg haben, das stimmt. Das Problem ist eher: Sie werden an einer bestimmten Stelle immer wieder das Gefühl haben, das etwas fehlt. Mit jedem erreichten Ziel benötigen sie ein höheres, um eine Art Befriedigung zu spüren (zum Beispiel 100.000 Euro Umsatz, dann 300.000 Euro Umsatz und so weiter). Es wird also nie wahre Zufriedenheit und Erfüllung erreicht.

Menschen können äußerlich alles haben und sich innerlich doch komplett leer fühlen.

Genau das führt uns wieder zum mangelnden Selbstwert. Was empfiehlst du zur Steigerung und dem Aufbau des eigenen Selbstwertes?

Lernen Sie sich selbst kennen und lieben.

Wo siehst du deine Stärken, die auch für deinen Erfolg maßgeblich sind?

Durchhaltevermögen und der Glaube an mich selbst. Eine Idee, gleich wie brillant sie ist, bedeutet noch keinen Erfolg. Das sehen wir daran, dass 90 Prozent der Start-ups scheitern. Der feste Glaube an den Erfolg meiner Sache und an meine Fähigkeiten ist der Treibstoff, der mich jede Hürde meistern, immer wieder aufstehen und weiter machen lässt. 

©Bilder: Christina Pörsch