ZANA RAMADANI


Female Empowerment sollte mehr sein, als nur Posts zu liken

Sie ist Bestseller-Autorin, hat die Frauenrechtsorganisation Femen in Deutschland

mitbegründet und ist gern gesehener Talkshow-Gast:  Zana Ramadani  steht für das, was möglich ist, wenn man für seinen Weg mit aller Kraft kämpft. Denn das Leben des kleinen nordmazedonischen Mädchens hätte auch ganz anders verlaufen können

Was bedeutet für dich Erfolg?

Früher war ich in der Finanzbranche und habe Erfolg über meinen Kontostand definiert. Heute ist das anders: Mit jeder Aktion, als ich zum Beispiel meine Brüste gezeigt habe, konnte ich Menschen dazu animieren, sich mit meinen Themen auseinanderzusetzen. Das war für mich ein Erfolg. Wenn ich mir meine Töchter so angucke, ist der größte Erfolg aber momentan, was ich empfinde, wenn sie gesund und glücklich vor mir sitzen. Mal schauen, ob mein neues Baby „Mama Weed“ auch ein Erfolg wird.

Was planst du?

Ich will meinen Töchtern zeigen, dass man als Frau erfolgreich in eine fast zu 99 Prozent männerlastigen Branche einsteigen kann, und mich mit einem Start-up im Cannabis-Bereich beweisen. Die Hanf-Branche wächst enorm und wird in den nächsten Jahren durch die Legalisierung noch deutlich zulegen.

Woran liegt es, dass es immer noch Gebiete gibt, in denen Frauen kaum vertreten sind?

Frauen trauen sich nicht so in neue Felder – und das ist ein großes Problem. Was ich mir von diesen ganzen Frauennetzwerken wünschen würde, ist, dass sie Empowerment wirklich leben und nicht nur Posts liken und darüber philosophieren.

Ärgert es dich, dass die Frage, wie man den Spagat zwischen Familie und Karriere schafft, meist nur Frauen gestellt wird?

Als ich genau das kürzlich gefragt wurde, musste ich echt lachen: Ich bin mit 18 Jahren aus Angst vor meiner Familie in ein Frauenhaus geflohen. Mit Mitte 20 habe ich mir meine erste Immobilie gekauft, war in der Finanzbranche in leitender Funktion tätig und hatte 30 freie Mitarbeiter. Ich bin in die Politik eingestiegen, habe parallel zum normalen Job Femen zu einer der erfolgreichsten Frauenrechtsorganisationen in Deutschland gemacht. Gefühlt nebenbei habe ich Bücher geschrieben, wurde Bestseller-Autorin und habe parallel dazu zwei Töchter bekommen. Heute bin ich Beraterin der Bundesregierung in Österreich, nach meinem Konzept werden dort auf die Bedürfnisse der Frauen zugeschnittene Integrationsprogramme angeboten. Und dann fragt mich jemand, wie ich Kind und Karriere unter einen Hut bekommen will …

Was genau hat dich dazu bewogen, ins Frauenhaus zu gehen?

Es war für meine Mutter und ihre sehr konservative Familie sehr schwer zu akzeptieren, dass ich selbstbestimmt leben wollte. Das Leben in Deutschland hat sich ja ganz stark von unserem Leben in Mazedonien unterschieden. Die Brüder meiner Mutter hatten Sorge, dass ich in Anführungsstrichen eine „deutsche Hure“ werde – und dann waren sie in einer Nacht- und Nebelaktion auf einmal da. Da war mir klar: Ich musste fliehen. Heute habe ich ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter. Es hat aber lange gedauert, bis ich den Kontakt wieder zulassen konnte.

Wie schwierig ist es für dich als zweifache Mutter deinen Weg zu gehen – im Vergleich zu einer kinderlosen Frau?

Man ist natürlich öfter erschöpft, aber man lernt als Mutter, auch viel flexibler und belastbarer zu sein. Das sollten auch endlich die Unternehmen und Investoren anerkennen. Eigentlich müsste man doch davon ausgehen können, dass Mütter eine besondere Befähigung zur Führungskraft haben sollten. Schließlich müssen sie sich ständig mit den neuen Befindlichkeiten ihrer Heranwachsenden auseinandersetzen und managen. Das ist eine harte Schule für den Berufsalltag mit Führungsverantwortung.

Gibt es einen Misserfolg, den du erst mal verdauen musstest?

Ich wurde mal bei einem Auftrag um Geld im fünfstelligen Bereich betrogen. Das hat richtig wehgetan. Ansonsten kann ich nicht wirklich behaupten, dass ich Misserfolge verdauen musste. Dennoch fühlen sich manche Dinge im Leben wie zum Beispiel meine Scheidung und meine beiden Fehlgeburten wie Versagen an – obwohl oder gerade weil das etwas ist, das ich nicht kontrollieren konnte. Besonders die erste Fehlgeburt war für mich ein einschneidendes Erlebnis. Sie hat mir klargemacht, dass ich zwar auf den ersten Blick alles hatte, aber trotzdem irgendetwas gefehlt hat. Ich habe mir mein Leben dann genau angeschaut und mich neu sortiert. Am Ende musste ich mir eingestehen, dass ich mit meinem Studium und in meiner Ehe nicht mehr glücklich war. Ich bin in eine andere Stadt gezogen und habe noch mal neu angefangen.

Manchmal ist ein vermeintlicher Rückschritt in Wirklichkeit nur eine Richtungskorrektur, um zum Ziel zu kommen.

Du setzt bei deinem neuen Start-up auf gesetzliche Rahmenbedingungen, die noch gar nicht klar sind. Wie viel darf man sich als Unternehmer trauen?

Natürlich bin ich da sehr tief im Thema und weiß durch meine hervorragende Vernetzung, was sich hinter verschlossenen Türen momentan abspielt. Wenn alles so weiterläuft, wird Cannabis mit allergrößter Wahrscheinlichkeit 2023 in die Legalisierung gehen. Erfolg braucht Mut. Jeder Fortschritt braucht Mut. Wer zum Beispiel ein Leben lang im Angestelltenverhältnis bleibt, kann damit auch glücklich werden. Falls nicht, darf er sich aber nicht beklagen, etwas verpasst zu haben.

Was ist dein Erfolgsgeheimnis?

Ich ergebe mich keinen Niederlagen.

Ich bin schon, seit ich denken kann, schlecht im Akzeptieren von Dingen, die einfach falsch sind. Also: immer wieder aufstehen, durchatmen, Krönchen zurechtrücken und weiterkämpfen. 

©Bilder: Jörg Schulz