Das eigene Handicap zur Stärke machen! Keynote-Speakerin und Paracycling-Weltmeisterin Denise Schindler hat bei weltweiten Wettkämpfen bewiesen, dass körperliche Einschränkungen keine Barriere für sportliche Höchstleistungen darstellen müssen, sondern Herausforderungen sind, die gemeistert werden wollen. Ihre Motivation und jahrelangen Erfahrungen teilt sie in ihren Coachings mit allen, die ihre gemütliche Komfortzone endlich verlassen möchten.
Seit Ihrem 2. Lebensjahr leben Sie mit einer Beinprothese. Ihr Unfall hat Sie jedoch nie entmutigt, Ihrem Traum als Profiradsportlerin zu folgen. Wie gestalteten sich die Anfänge?
Mit 18 Jahren habe ich den Sport erst richtig für mich entdeckt. Früher war der Schulsport für mich aufgrund meiner Behinderung eher negativ behaftet. Es machte keinen Spaß, stets die Letzte zu sein oder sogar nie in ein Team gewählt zu werden. Als ich zum ersten Mal Spinning ausprobierte, entfachte dieser Funke in mir. Das Gemeinschaftsgefühl, die treibende Musik – es war super! Somit kam ich zum Radfahren. Kurz darauf folgte mein erster Transalp. Es war wichtig, Erfahrungen zu sammeln und meine Grenzen auszuloten. Ein langer Prozess, der belohnt wurde, als mich der Abteilungsleiter des Radsportverbandes in Bayern kontaktierte. Obwohl ich Zweifel an mir hatte, ging ich zum Sichtungslehrgang und überzeugte mit meiner Leistung. Mit neuem Mindset, dass ich diese Chance nutzen kann und eben nicht mehr die Letzte sein muss, habe ich mich über ein Jahr vorbereitet.
Ihre Karriere und Ihre Erfolge fußen auf großem Ehrgeiz und einem starken Team. Wie wichtig ist Ihnen dieser Support?
Als Individualsportlerin ist es unerlässlich, ein Team an seiner Seite zu wissen, dem du vertraust.
Es braucht Menschen, die ehrlich sind, Kritik üben und an dein Ziel glauben.
Solche Personen stärken das gesamte Projekt! Niemand ist Experte in allen Bereichen. Meine Radsportprothese ist das beste Beispiel. Sie wurde speziell für meinen Körper entwickelt, was eine individuelle Anpassung voraussetzt. Zudem sind neue Impulse die treibende Kraft im täglichen Training, damit das letzte Prozent an Power, Stärke und Motivation einfließt. Unabhängigkeit ist gut, aber mit einem Team erreicht sich vieles leichter.
2012, 2016 und 2021 wurden Sie mit dem Silbernen Lorbeerblatt, die höchste staatliche Anerkennung für Spitzenleistungen im deutschen Sport, ausgezeichnet. Eine Ehrung, die sicherlich zu den wichtigsten Momenten eines Sportlers gehört. Erinnern Sie sich an Ihren größten bisherigen Erfolg?
Auf jeden Fall! Es ist schon eine Leistung, bei drei Paralympics teilnehmen zu dürfen.
Für einen Sportler ist es das Größte, an Weltmeisterschaften und Paralympics teilzunehmen und Medaillen zu gewinnen.
Dafür bin ich sehr dankbar! Trotz eines schweren Sturzes, den ich kurz vor der Reise nach Tokio 2021 hatte und meine Teilnahme fast verhindert hätte, holte ich am Ende bei der Einerverfolgung die erste Medaille (Bronze) für Deutschland. Hinzu kam, dass ich meinen persönlichen Rekord von unter 4 Minuten fahren wollte. Mit jahrelangem harten Training schaffte ich es, dieses Ziel mit 3:55.120 Minuten zu erreichen.
Würden Sie es als Luxus bezeichnen, Ihren Sportlertraum leben zu dürfen?
Absolut! Ich darf machen, was ich am meisten liebe, und sehe es als Glück, einen Beruf zu haben, der mich geistig und körperlich erfüllt.
Gibt es dennoch etwas, was Sie sich oder für den Para-Sport wünschen?
Der paralympische Sport benötigt Sendezeit, um ins Bewusstsein der breiten Masse zu gelangen. Wenn ich die Leistungen aller Para-Sportler betrachte, möchte ich, dass sie noch mehr wahrgenommen werden. Wir sind auf einem guten Weg, doch es braucht mehr Zuschauer, mehr Fans – erst dann besteht eine größere Chance, gesehen zu werden.
Social Media ist derzeit die bestmögliche Option, viele Fans zu erreichen. Für mich sind diese Kanäle neben guter PR essenziell. Es gibt mir die Möglichkeit, meine Sendezeit zu gestalten und meine Follower an bestimmten Entwicklungen teilhaben zu lassen. Nach dem Sturz, der meine Tokio-Reise gefährdete, habe ich auf diesem Wege unglaubliche Anteilnahme erfahren. Die Fans wollten informiert werden, dabei sein und Trost spenden. Oft wird unterschätzt, welche Kraft diese ehrlichen Nachrichten geben.