"OHNE VERRÜCKTE CHANCEN KANN NIEMALS ETWAS HERAUSRAGENDES ENTSTEHEN"
Mutter, Unternehmerin, Geschäftsführerin, Songwriterin, Autorin, Entertainerin:
Maite Kelly zeigt in all ihren Rollen und Funktionen maximale Leidenschaft und grenzenlose Kreativität. Neben Talent und Gabe, sein Können in Erfolg zu verwandeln, nimmt jedoch ein weiterer Faktor einen wichtigen Platz ein: der Mut zum Scheitern.
Was bedeutet der Begriff Erfolg für Sie?
Freude! Als Führungsperson habe ich große Freude daran, an der Be- rufungsbindung anderer Menschen teil- zuhaben. Die Entwicklung, die daraus entsteht, ist spannend und zugleich sehr inspirierend. Ich sage immer, meine Auf- gabe als Chefin ist es, eher eine Pädagogin für Erwachsene zu sein. Durch das Ermög- lichen beruflicher Optionen und Anschie- ben neuer Projekte kann ich würdevollere Lebensmöglichkeiten für andere Menschen erschaffen, was mich erfreut.
Sehen Sie diese Möglichkeit, andere Menschen zu inspirieren und Türen zu öffnen, auch als Stärke für Ihren eigenen Erfolg?
Meine Kernmotivation liegt da- rin, Menschen durch Projekte näher zu sich selbst zu bringen.
Es ist überraschend, welche Potenziale in einem selbst stecken können! Somit glau- be ich, dass Erfolg als Konsequenz aus dieser Entwicklung entspringt. Wenn meine Hauptquelle darin liegt, jedem einzelnen Beteiligten in seinem Leben mehr Freude und Motivation mitzugeben, ist es für mich eine unaufhaltsame Kraft. Man kann eine Vision haben und Menschen von die- ser Idee vehement überzeugen. Aber so war meine Philosophie nie. Das Leben ist zu kurz, um vor lauter Erfolgsdrang an der Freude vorbeizulaufen. Einen Menschen zu begeistern, neue Dinge auszuprobieren und die Fähigkeiten, die sie bereits besitzen, zu entfesseln, macht mich glücklich! Das ist es, was ich als Mensch, Frau, Schwester und als Unternehmerin lebe.
Meine Berufung ist meine An- teilnahme, Dinge verändern zu können. Es ist nicht nur Teilha- be, es ist meine Anteilnahme!
Lassen sich die Menschen, in denen Sie Potenziale und Chancen erkennen, von Ihnen schnell begeistern oder herrscht Skepsis gegenüber dem eigenen Können?
Ich arbeite grundsätzlich nicht mit Skeptikern. Auch kompetente Menschen sind skeptisch, aber sie verlangsamen die Pro- zesse. Wenn es um Zahlen und Fakten geht, hilft ein kritischer Blick. Doch Skepsis bremst jede Entwicklung und verbreitet Zweifel. Zweifel wiederum sind das Gegenteil von Vertrauen. Jeder in meinem Team darf Kritik üben und Optimierungsvorschläge einbringen. Aber Negativität und das Anzweifeln von Chancen blockieren den kreativen Raum. Als Unternehmerin erlaube ich meinem Team und mir, das Risiko des Scheiterns zuzulassen, anstatt die Kraft der Chancen von Beginn an zu bremsen.
Gab es einen Wendepunkt in Ihrem Leben, der Ihr Mindset, welches Sie heute haben, beeinflusste?
Jeder Tag bringt etwas Neues mit sich. Aber der Punkt, an dem ich realisierte, dass ich als Führungsmensch eine Gabe besitze, war, wie wichtig es ist, anderen Menschen zu sagen, was sie besser können als ich selbst. Ich muss nicht alles können. Ich muss nicht wissen, wie der andere etwas macht, um zu wissen, dass er es kann. Aber ich kann den anderen bitten, es mir zu zeigen, was er kann. Mein Erfolg basiert auf „Make it and you don’t have to fake it”. Ich bin Handwerkerin und wenn jemand unsicher ist, will ich ihn ermutigen, seine Talente umzusetzen. Ich gebe der Person die Chance zum Scheitern. Misslingt es, trage ich die Verantwor- tung. Dadurch erhalten andere den Raum, ihre Potenziale zu entfalten.
Den anderen in seiner Leiden- schaft zu erkennen und seine Passion wahrzunehmen, ist der Funke für anhaltenden Erfolg.
Jemanden zu sehen und dessen Leiden- schaft wahrzunehmen, ist eine treffende Beschreibung. Erinnern Sie sich, wann Sie sich das erste Mal als Künstlerin wirklich gesehen gefühlt haben? Geschah dies durch eine Person oder war es ein Prozess?
Eine wunderbare Frage, in der bereits auch die Antwort liegt. Ohne Mentoren, Leuchtfiguren oder verrückte Chancen entsteht nie etwas Herausragendes. Man muss diese Möglichkeiten natürlich auch zu greifen wissen. Als Songwriterin arbeite ich mit vielen jungen Menschen zusammen, denen ich diese Chance gebe, ihr Talent zu erkennen. Für meinen Teil muss ich sagen, dass die Person, die mir die Option auf meine zweite musikalische Karriere gegeben hat, Roland Kaiser war. Ohne Frage ist er der größte Mentor meines jetzigen musikalischen Schaffens! Ich habe alles von diesem Mann gelernt, was man lernen muss.
Gab es auch eine Person, die in ihrer ersten musikalischen Karriere als Mentor für Sie da war?
Mein Vater war der erste Mentor in meinem Leben. Von ihm habe ich das Führungsgen. Er lehrte mich, Menschen zusammenzubringen und kreativ zu sein sowie die Fä- higkeit, Kreativität kommerziell zu verpacken. Die Bereitschaft, sich auf diese Dinge einzulassen, habe ich von ihm. Es bedeutet aber keineswegs, dass Scheitern Fahrlässigkeit rechtfertigt. Sich auszuprobieren, ist erlaubt, wenn es mit Achtsamkeit geschieht.
Würden Sie Ihrem jüngeren Ich raten, diese Experimentierfreude auszuleben und Umwege zu gehen oder lieber den direkten Pfad zu wählen?
Ich weiß es gar nicht, um ehrlich zu sein. Man will seiner jüngeren Version immer sagen, dass alles gut wird, und es ist viel passiert, was nicht hätte geschehen müssen. Hier kommen wir wieder zu der Macht von Skepsis: Meinen Weg kreuzten viele Menschen, die skeptisch waren, und mir und meiner Berufung im Weg standen. Auch andere Personen, die viel Gutes tun möchten, werden durch Skeptiker blockiert. Es ist ein anhaltendes Problem in unserer Gesellschaft, welches mein Mutterherz, Schwesterherz und Unternehmerinnenherz bluten lassen. Dabei gibt es so viele Menschen, die eine Gabe besitzen, und denen – nur weil sie Gutmenschen sind – im Namen der Skepsis Steine in den Weg gelegt wurden. Für mich gab es diese Leuchtfiguren, die mir halfen, über diese Steine zu springen. Aber manche Steine sind so groß, dass sie unüberwindbar bleiben. Daher würde ich mir wünschen, dass wir als Unternehmer auf eine höhere Quote an Quereinsteigern vertrauen. Papiere und Dokumente besitzen einen zu hohen Stellenwert, während die wahren Talente, die nicht im Rahmen einer Ausbildung gefördert wurden, unerkannt bleiben.
Umwege und alternative Pfade sind nie verkehrt!
Es braucht nur den kleinen Tropfen des Vertrauens.
Denken Sie, dass es Unternehmen an Mut fehlt, diesen Schritt zu wagen?
Es ist immer eine Frage des richtigen Maßes. Wenn ich über Scheitern spreche, rede von dem Mut kleiner Schritte. Mit einer gesunden Firma und einem guten Budgetplan kann man sich ein Scheiterungsbudget gönnen. Risikoprojekte setzen in vielen Fällen unvorhergesehene und erfolgreiche Dinge frei, weil kein Druck auf ihnen lastet. Man gönnt sich als Team einen Ort des Verrücktseins, den wir alle nötig haben. Sicherlich wird auch in diesem Rahmen Leistung vorausgesetzt, aber der Freiraum für neue Ideen ist unendlich. Ich bin überzeugt, dass die Zukunft uns keine andere Chance lässt, solche Räume zu nutzen und mehr Handwerksliebe zum eigenen Beruf zu zeigen. Alles andere erledigt die Technik. Wir werden es nicht vermeiden können, dass diese Ent- wicklung anzieht.
Dieser Mut sollte gleichfalls für eine stärkere Frauenquote in Unternehmen genutzt werden.
Frauen, die ihre Kernberufung aus verschiedenen Gründen zur Seite gelegt haben, müssen wieder zurück in die Unternehmen geholt und gelassen werden. Für eine stärkere Gesellschaft wäre dies mein tiefer Wunsch!