MAX GIESINGER


Im Social-Media-Strudel kann man sich schnell verlieren

Die Teilnahme bei der TV-Castingshow „The Voice of Germany” war sein Durchbruch, und spätestens seit seinem Mega-Hit „80 Millionen” ist Max Giesinger (34) einer der ganz Großen in der deutschen Musikbranche (aktuelles Album „Vier einhalb”). Der gebürtige Schwarzwälder wollte schon als kleiner Junge Sänger werden und träumte davon, irgendwann mal auf der großen Bühne in seiner Heimatstadt zu stehen. Allerdings musste er dafür zunächst einen kleinen Umweg gehen und einige Rückschläge einstecken – und auch später kam nicht alles so, wie er es sich früher immer vorgestellt hatte …

Wann war der Moment, in dem du entschieden hast, von Beruf Sänger werden zu wollen?

Da gab es mehrere Etappen. Aber ich glaube, die Entscheidung zu „The Voice“ zu gehen, war eine der wichtigsten. Den Traum, Sänger zu werden, hatte ich eigentlich schon als kleiner Junge. Aber das dann wirklich auch zu tun, ist etwas anderes. Mit Anfang zwanzig habe ich tatsächlich erst mal eine Ausbildung in der Bank angefangen, weil man ja auch in der Jugend so mitbekommt, dass man erst mal was Sicheres braucht, womit man Geld verdient. Nach zwei Wochen habe ich aber schon gemerkt: „Das ist null Komma null mein Ding.“ Und dann habe ich das mit „The Voice“ einfach mal probiert. Danach ist es – mit Höhen und Tiefen – immer ernster geworden mit der Musik.

Wer oder was hat dich bestärkt, das durchzuziehen?

Schon in meinen Jahren vor „The Voice“ bin ich mit immer mehr Leuten in Kontakt gekommen, für die Musik der komplette Lebensmittelpunkt war. Und wenn man in einer Gruppe ist, in der alle ihre ganze Leidenschaft der Musik widmen, dann pusht man sich da gegenseitig und kommt Schritt für Schritt voran. Es gab natürlich auch immer wieder Rückschläge und Leute, die sich überhaupt nicht für das interessiert haben, was ich da so mache. Aber in dem Umfeld, in dem ich mich bewegt habe, war immer ein totaler Glaube daran da, dass man es schaffen kann und es Menschen gibt, die das feiern, was man macht.

Was war das Erste, das du dir von deinem durch die Musik verdienten Geld gegönnt hast?

Eine schöne neue Gitarre.

Ist das Leben als Musiker so, wie du es dir früher immer vorgestellt hast?

Ja und nein. Es gibt tatsächlich kaum etwas Schöneres, als auf der Bühne mit seiner Band Musik zu machen. Alle – du und das Publikum – lassen mal für ein, zwei Stunden alles los und haben eine geile Zeit zusammen. Das war immer der Traum und das ist nach wie vor immer wieder eine unfassbar tolle Erfahrung. Was man aber gar nicht wissen kann, bevor man dieses Leben führt, ist, wie viel drum herum noch passiert, wie viel Zeit deines Alltags du letztendlich mit Dingen verbringst, die nichts mit dem Musikmachen zu tun haben. Daran muss man sich erst mal gewöhnen, aber das gehört dazu.

Wo und wie kannst Du am besten neue Songs schreiben?

Das ist total unterschiedlich. Aber ich glaube, die Voraussetzung ist, dass ich das meiste von dem, was so um mich herum passiert, für einen Moment ausblenden kann. Das kann auf einer Hängematte in der Sonne oder aber auch mit einer kleinen Gruppe an Freunden in einer abgelegenen Hütte sein. Vor dem letzten Album „Vier“ bin ich zum Beispiel mit zwei Songwriting-Buddies in die Eifel gedüst, mitten ins Nirgendwo. Da gab es nur unser kleines Haus und ein paar Ziegen drum herum. Da sind die meisten Songs von „Vier“ entstanden, weil ich dort total gut abschalten konnte und die Sachen, mit denen ich mich zu der Zeit so beschäftigt habe, ganz natürlich rausgekommen sind und zu Songs wurden.

Bist du noch aufgeregt, wenn du auf die Bühne gehst?

Also, zurzeit ist es vor allem krasse Vorfreude, die ich kurz vor jedem Konzert spüre. Wir konnten ja über mehrere Jahre keine richtigen Konzerte spielen und jetzt gerade freue ich mich einfach tierisch darüber, dass das wieder möglich ist.

Was glaubst du, ist dein Erfolgsgeheimnis?

Das kann ich selbst gar nicht so wirklich beantworten. Ich versuche immer aus dem, was in mir so vorgeht und mich beschäftigt, Songs zu machen und dann auf der Bühne eine geile Zeit zu haben. Und das will ich beides immer so gut machen wie möglich.

Was muss man neben musikalischem Talent noch haben, um auf Dauer als Sänger erfolgreich zu sein?

Im besten Falle sollte man kein kompletter Ego-Typ sein. Das Business ist klein und es spricht sich relativ schnell rum, mit wem man gut zusammenarbeiten kann und wer eher schwierig im Umgang ist. Ansonsten solltest du Bock darauf haben, permanent unterwegs zu sein. Geburtstagspartys und Hochzeiten von Freunden … adieu! Du hast superviele organisatorische To-Dos in deinem Alltag, musst diverse Kanäle parallel balancieren und pflegen, du kommunizierst mit unheimlich vielen Menschen und bist letztendlich auch eine Art von Arbeitgeber für andere. Und bei all dem muss man immer wieder kreativ sein und sich neu erfinden, damit das Ganze für einen frisch und interessant bleibt.

Was war bislang das persönliche Highlight deiner Karriere?

Das war mein Auftritt bei „Das Fest“ 2016. Dabei handelt sich es sich um das größte Open Air in meiner Heimat. Früher stand ich immer selber in den Fan-Reihen und hab mich auf die Bühne geträumt.
Jahre später ist es mir dann gelungen, dort vor 40.000 Menschen aufzutreten. Als dieser riesige Chor „80 Millionen“ auswendig mitgeschmettert hat, ist ein riesiger Traum für mich in Erfüllung gegangen.

Gab es Rückschläge in deiner Karriere? Wie hast du sie überwunden?

Die gab es auf jeden Fall und die gibt es auch immer wieder. Eine der schwierigsten Phasen war sicher die Zeit, in der wir schon das Album „Der Junge, der rennt“ fertig hatten, von den Songs überzeugt waren, uns aber von allen Plattenfirmen nur Absagen abgeholt haben. Niemand hat daran geglaubt – bis auf ein Label, bei dem wir dann unterschrieben haben und mit denen zusammen dann alles durch die Decke ging. Aber der Weg dahin war zum Teil superfrustrierend.

Wenn du einen Sohn hättest, der ebenfalls Sänger werden möchte, was würdest du ihm raten?

Grundsätzlich würde ich meinen Kindern definitiv dazu raten, ihren Träumen nachzugehen. Wenn mein Sohn Sänger werden wollte, dann würde ich ihn natürlich darin bestärken, aber ihm auf der anderen Seite auch zeigen, was da noch so alles dazugehört und dass das Ganze auch Schattenseiten hat. Wenn er das dann trotzdem machen will, dann hat er zumindest schon mal ein paar Gitarren und Mikros, die er sich von mir borgen kann.

Was bedeutet für dich Luxus?

Ich würde sagen, dass klassischer „Luxus“ nichts ist, was mich anzieht. Dass ich heute die Möglichkeit habe zu reisen und die Welt zu entdecken, das ist eher Luxus für mich. Und das bedeutet dann nicht mal, dass diese Reisen etwas Luxuriöses habe müssen. Ein Van, ein Surfbrett und ein Strand, das reicht schon völlig.

Wie wichtig ist dir Social Media?

Social Media ist definitiv ein superwichtiges Tool, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Als Künstlerin oder Künstler kannst du noch so gute Songs in deinem Zimmer schreiben – wenn du nicht mit den Leuten interagierst, dann wirst du einfach nicht viele erreichen.

Gleichzeitig ist es natürlich auch unheimlich zeitintensiv, und bei all den Reizen, denen man da ausgesetzt ist, passiert es schnell mal, dass man sich im Social-Media-Strudel verliert. Die Likes sind ja wie eine Art Belohnungssystem, dass dich auch total schnell abhängig machen kann. Gerade wenn man eigentlich kreativ sein will und dafür komplett im Hier und Jetzt sein muss, ist Social Media absolut nicht hilfreich.