KLAUS MEINE

"Du musst deine DNA finden"

Songschreiber, Komponist, Vollblutmusiker: Klaus Meine gehört als Frontmann der Band Scorpions zur deutschen Musikgeschichte. Unvergessen sind Hits wie „Wind of Change“ oder „Rock Me Like a Hurricane“, deren Riffs heute noch emotionale Gänsehaut-Momente bescheren. Der Erfolg dieser Songs nahm mit einer simplen Entscheidung ihren Lauf: den Mut zu besitzen, die hürdenreiche Straße des Erfolgs gehen zu wollen.

Was bedeutet für Sie Erfolg?

Freiheit. Erfolg bedeutet Freiheit, weil auf diese Weise ein selbstbestimmtes Leben möglich ist. Und erfolgreich zu sein durch Leidenschaft, Einsatz und die Chance, Songs zu schreiben, wie es mit den Scorpions der Fall ist, macht es umso schöner. Wenn ich an die Anfänge denke, als wir in der Hamburger Markthalle oder im Grünspan auftraten, war es ein langer Weg bis zu unglaublichen Locations wie dem Madison Square Garden. Aber an diesen Moment zu gelangen und selbstbestimmt dem Weg zu folgen, ist großartig und bedeutet, frei zu sein.

Auf dem langen Erfolgsweg der Scorpions reihen sich die Meilensteine aneinander. Welche bleiben für Sie besonders in Erinnerung?

Schon das erste Album 1971/1972 markiert einen einschneidenden Moment. Unsere Talente als junge Musiker wurden erkannt und der Einstieg in die Welt der professionellen Musik mit dem ersten Plattenvertrag besiegelt. Es verlangte viel Durchhaltevermögen, um die ersten Jahre zu überstehen. Zudem mussten wir als Band unsere eigene DNA entwickeln. Dieser Prozess verlangte viel Zeit. Daher war es für uns wichtig, dass wir mit unserem langjährigen Produzenten Dieter Dierks zusammenkamen, der uns bis Ende der 1980er-Jahre begleitete. Ebenfalls unvergessen ist der Weg nach Japan, der als Türöffner für die USA diente und es ermöglichte, im Umfeld der größten Rockmusiker zu spielen. All das hat uns auf der Karte des Hardrocks zu einer großen Nummer gemacht. Vergleichbare Gruppen mit ähnlichem Sound aus Deutschland gab es zum damaligen Zeitpunkt kaum.

Dreimal den Madison Square Garden ausverkauft, Bon Jovi als Opening Act: Durch solche Momente stärkte sich die Verbindung innerhalb der Band, aber gleichzeitig wurden die Herausforderungen größer. All diese Augenblicke trugen uns am Ende an die musikalische Weltspitze.

Was ist einer der wichtigsten Faktoren, der Bands und Musiker für Sie auszeichnet?

Der Erfolg einer Band kommt – und so war es bei uns – meist über die Konzerte. Du musst auf der Bühne dein Publikum begeistern können, die richtigen Songs präsentieren und die Power haben, weltweit zu spielen. Es kommt darauf an, deine Fans mit der Musik und deiner Message zu erreichen. So baut sich eine Basis an Leuten auf, die immer wieder voller Freude zu deinen Konzerten kommen. Als Band musst du abliefern. Das ist ein wesentlicher Teil, den wir als Gruppe mit unseren Songs immer in den Fokus rücken.

Waren Sie je an dem Punkt, an dem Sie dachten, alles erreicht zu haben?

Diesen Punkt gibt es nicht. Alles ist ein fließender Prozess und es müssen auch Momente akzeptiert werden, in denen es weniger gut läuft. Diesen Wendepunkt erreichten wir nach dem gigantischen Erfolg von „Wind of Change“ in den 1990er-Jahren. Die Musikwelt wandelte sich und Grunge-Musik übernahm das Ruder. Bands wie Nirvana haben die Musiker aus den 1980er-Jahren ins Aus gestellt. Zweifellos war dies eine herausfordernde Zeit! Wir experimentierten und versuchten Dinge, die von den Fans weniger euphorisch angenommen wurden. Anfang der 2000er-Jahre fanden wir jedoch wieder in die Spur zurück. Plötzlich waren die Rockfans wieder da und das Genre Alternative schwächelte und kämpfte darum, die Hallen zu füllen.

Wer sich geduldig zeigt und wartet, bis die Erfolgswelle wieder zurückkommt, findet seine DNA und untermauert die eigene Stärke.

Mit jedem neuen Song stellen Sie sich der Kritik Ihrer Fans. Ist es noch immer aufregend, neues Material vor Live-Publikum zu spielen?

Ja, das ändert sich nie! Das Publikum will die Hits und Klassiker hören und schenkt dem neuen Material im ersten Augenblick weniger Aufmerksamkeit als den großen Evergreens. Umso wichtiger ist es, für Touren eine Setlist zusammenzustellen, in der die Klassiker ihren festen Platz haben. Bei starken Alben gibt es genügend Auswahl, die sich in diese individuelle Rockgeschichte einfügen. Bleiben die gewünschten Reaktionen aus, spürst du dies auf der Bühne und es muss eine Alternative gefunden werden. An solche Feinheiten gilt es, sich heranzutasten.

Das direkte Feedback teilen Fans gern zusätzlich über Social-Media-Kanäle. Wie wichtig ist Ihnen das Medium?

Der Austausch mit Fans ist wichtig und wird auf diesem Weg deutlich vereinfacht. Wir haben weit über sieben Millionen Follower bei Facebook und über vier Millionen Fans auf YouTube. Wir können uns glücklich schätzen, solch eine Rückendeckung zu haben. Zudem hat unser Song „Wind of Change“ im Februar 2023 die magische Marke von einer Milliarde Aufrufen erreicht. Ohne Fans hätten wir diesen Meilenstein nie geschafft. Es ist schwer vorstellbar, aber es ist ein tolles Gefühl zu sehen, dass dieser Song nach so vielen Jahren noch Relevanz in sich trägt.

Womit auch deutlich wird, dass Ihre Songs generationsübergreifend gefeiert werden. Ist dies Anreiz weiterzumachen?

Eigentlich regelt sich alles über die Nachfrage. Wenn uns keiner mehr hört, gehen wir nicht auf Tour. Glücklicherweise ist das Gegenteil der Fall. Mit unserem aktuellen Album „Rock Believer“ zeigen wir, dass wir auch nach so langer Zeit als Band musikalisch attraktiv sind.

Welche Ziele würden Sie sich noch für die Zukunft wünschen?

Es ist eine große Freude, dass wir für unsere Fans nach wie vor spielen dürfen. Die Begeisterung trägt uns und hält im Herzen jung. Darin liegt unsere Motivation, die lange Straße weiterzugehen – auch ohne große Pläne. Die Jahre haben uns diese Erkenntnis gelehrt. Alles, was wir machen, bringt auch nur Spaß, wenn du gesund bleibst.  CJ