"Der Papa hat immer gesagt: Guck niemals auf die Uhr!"
Loszulassen ist ihr Erfolgsgeheimnis: Caroline Bosbach, die Tochter von CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, wollte eigentlich irgendwann am Theater arbeiten. Doch es sollte anders kommen: Heute ist die 34-Jährige Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrats Deutschlands und arbeitet in der Energiewirtschaft. Energie ist eines der großen Themen der Zukunft – und die möchte sie mitgestalten.
Was bedeutet für Sie Erfolg?
Angekommen zu sein, mit sich selbst im Reinen zu sein und natürlich – deswegen mache ich Politik – auch dazu beizutragen, dass die Welt ein kleines Stückchen besser wird. Erfolg ist aber kein Zustand. Du musst jeden Tag aktiv dran arbeiten, um ihn zu halten. Das vergessen viele Menschen.
Denken Sie, dass Sie auch ohne ihr Elternhaus so eine politische Person geworden wären?
Man weiß natürlich nie, was gewesen wäre, wenn … aber wenn du quasi mit der Politik in der Muttermilch groß wirst, kann das etwas mit dir machen. Es ist aber kein Muss – meine jüngste Schwester hat ein Café, unsere mittlere ist Stewardess.
Gab es bei Ihnen zu Hause oft politische Diskussionen?
Überhaupt nicht! Bei Papa war es immer so, wie es bei mir heute auch ist: Ich bin froh, wenn ich meine Ruhe habe und es zu Hause um völlig andere, alltägliche Sachen geht. Ganz ehrlich, wer von uns nimmt seine Arbeit schon gern mit in seine privaten vier Wände und im schlimmsten Fall sogar noch mit ins Bett?
Könnten Sie sich vorstellen, Politik zu ihrem Hauptberuf zu machen?
Wenn ich diesen Schritt eines Tages gehen sollte, ist mir wahrscheinlich besser als vielen anderen klar, worauf ich mich einlasse. Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, erst mal Lebens- und Arbeitserfahrung zu sammeln. Das wurde uns zu Hause so beigebracht, und damit bin ich immer gut gefahren. Ich bin grundsätzlich offen für neue Chancen, die sich auftun.
Ursula von der Leyen hat trotz ihrer erfolgreichen Polit-Karriere eine große Familie, Angela Merkel hat sich dagegen entschieden. Was wäre Ihr Weg?
Ich hoffe, dass ich mich nicht zwischen Kindern und Karriere entscheiden muss. Ich möchte beides haben, auch wenn man das heute ohne Kinder vielleicht romantischer sieht, als es in Wirklichkeit ist. Die Merkel-Variante würde für mich nicht infrage kommen.
Wo liegen Ihre Stärken?
Disziplin, viel Disziplin und Rückgrat. Ich habe früh gelernt, anderen nicht nach dem Mund zu reden, sondern mit Überzeugung zu den eigenen Werten zu stehen. Das klingt erst mal leicht, ist aber in der Politik so schwer, weil Politiker den Medien gefallen wollen – und den Menschen in den sozialen Netzwerken. Die meisten fürchten sich vor einem Shitstorm. Das muss man lernen abzulegen.
Die Menschen merken, ob du authentisch bist oder nicht.
Wie laden Sie ihre Batterien wieder auf?
Klassische Entspannung ist nicht so mein Ding. Am besten erhole ich mich, wenn ich mich richtig auspowere: am liebsten beim Boxen, oder beim Reiten. Nach dem Training bleibt eine innere Ruhe und ein klarer Kopf.
Was hat Ihnen Ihr Vater auf den Weg mitgegeben?
Papa hat immer gesagt: Guck niemals auf die Uhr! Das hat sich bei mir eingebrannt. Politik ist alles andere als ein Job. Man muss es von ganzem Herzen lieben, sonst hält man nicht durch.
Gehen Ihnen Vergleiche mit Ihrem Vater oder das „Tochter von…“-Sein auf den Keks?
Nein. Ich höre mir das jetzt seit 20 Jahren an und habe akzeptiert, dass ich es nicht loswerde. Man möchte natürlich, dass vor allem die eigene Leistung gesehen wird. Genervt hat es mich trotzdem nie – als Kind ist man doch stolz auf seine Eltern.
Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich raten?
Jung und durstig zu sein ist gut, aber ein bisschen Geduld hat noch keinem geschadet. Ich war als junges Mädchen oft ruhelos, hatte Angst, etwas zu verpassen. Ich musste lernen, nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen.
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Ich war immer am besten, wenn ich mich erstens auf mich selbst verlassen habe – und zweitens tatsächlich in Momenten, in denen ich losgelassen habe.
Wer zu verbissen ist, wird seine Ziele nicht erreichen.
Ist es aus Ihrer Sicht heute leichter oder schwerer Erfolg zu haben als früher?
In der Politik würde ich sagen, ist es durch die sozialen Medien schwerer geworden. Wenn ich zum Beispiel in einer Talkshow sitze und es gefällt jemandem nicht, was ich sage, braucht er nur Sekunden, um sein Smartphone zu nehmen und etwas zu posten. Alles geht ungefiltert und undurchdacht in die Welt hinaus. Vor 20 Jahren hätte man erst mal drüber schlafen, sich am nächsten Morgen dann hinsetzen und einen Brief schreiben müssen – mit einem völlig anderen Ergebnis. Auch der Ton hat sich verändert. Wir brauchen viel mehr Respekt und Toleranz gegenüber den verschiedenen Meinungen in unserer Gesellschaft: in meinen Augen eine der größten Aufgaben unserer Zeit. JR