"Leadership ist Relationship"
Er ist Coach für Unternehmer und Konzerne, hat die deutsche Fußballnationalmannschaft beraten und den VfB Stuttgart, dazu ist er leidenschaftlicher Crossfitter und wurde zweimal fittester Mann Österreichs:
Prof. Dr. Wolfgang Jenewein braucht Action. Um sein Leben so erfüllt wie möglich zu gestalten, hat er sogar seinen Lehrstuhl als Professor an der Universität St. Gallen aufgegeben. Denn: Erfüllung braucht Mut.
Was bedeutet Erfolg für Sie?
Erfolg ist für mich, wenn man im Einklang mit seinen Potenzialen und Fähigkeiten Dinge erreicht, die für einen persönlich wichtig und ambitioniert sind. Ich trenne übrigens nicht zwischen beruflichem und privatem Erfolg. Ich bin Mensch, Professor, Familienvater, Freund und Sohn. Man ist gut beraten, wenn man sich selbst ganzheitlich sieht.
Sind Sie als Speaker und Coach im eigenen Leben Experte für Work-Life-Balance?
Ich bin Lernender. Ich nenne es aber nicht Work-Life-, sondern nur Life-Balance. Ich habe nur ein Leben, durch das ich versuche, mit einem ausgewogenen Gleichgewicht zu gehen. Dafür muss ich beruflich etwas tun, das mit meinen Fähigkeiten, Leidenschaften und Träumen in Einklang ist, und das Wichtige priorisieren, ohne zu viele Kompromisse einzugehen. Das ist das Geheimnis eines erfolgreichen und glücklichen Lebens. Viele verpassen leider zum Beispiel, zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen, oder stopfen aus Zeitmangel irgendwas in sich rein, statt darauf zu achten, was sie essen.
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Empathie. Ich glaube, dass ich die Menschen ganz gut verstehen und lesen kann.
Nur wer zuhören kann, wer Verbindungen aufbauen kann, wird langfristig erfolgreich sein. Leadership ist Relationship, sage ich immer.
In welchem Bereich könnten Sie vielleicht selbst ein bisschen Coaching brauchen?
Ich könnte Hilfe dabei brauchen, Verletzlichkeiten noch mehr zu zeigen und mehr Menschen an meinen Ängsten teilhaben zu lassen. Ich glaube, dass es mir noch mehr Kraft geben würde, wenn ich mich weiter öffnen könnte. Selbstoffenbarung ist Umwegrentabilität, da verliert man zwar erst mal Energie, weil da natürlich dann auch einiges aufgearbeitet werden sollte, aber am Ende gewinnt man immer unheimlich Energie. Das Problem ist, dass wir von klein auf lernen, wir müssten stark sein, müssten erfolgreich sein, dass wir keine Fehler, keine Schwächen haben dürfen – und wenn man natürlich über 20, 30 Jahre so konditioniert wird, ist es nicht so leicht, über Dinge wie moralische Belastungen oder Ängste zu sprechen.
Was ist Ihr bester Tipp für erfolgreiches Führen? Tatsächlich Leute an sich ranzulassen?
Die meisten Führungskräfte in unseren Breitengraden sind nur Reparierer, Fixierer und Organisierer, statt die Potenziale, die sie haben, zu sehen und damit die Organisation weiterzuentwickeln. Erfolgreiche Menschen sind ständig in Kontakt mit sich selbst und suchen den Austausch mit vertrauensvollen Mitarbeitern.
Großartige Führung ist, wenn man gute Stimmung und Energie erzeugt, indem man sein Umfeld wahrnimmt.
Wie geht es meinen Mitarbeitern? Wie ist die Zufriedenheit? Wie ist das Engagement, die Inspiration? Das sind die Input-Faktoren – und die bestimmen dann den Output, also Börsenwert, Umsatz und Gewinn …
Sie haben BWL studiert. Böse Zungen behaupten, das tut man vor allem dann, wenn man nicht weiß, was man beruflich später machen will …
Es wäre gelogen, wenn ich sage, ich wusste genau, dass ich Professor werden will. Ich wollte einfach etwas studieren, womit ich möglichst viele Handlungsoptionen habe. BWL ist relativ breit, du kannst Marketingmanager werden, Finanzchef, Logistiker, Unternehmer … Anfangs habe mich bei der Berufswahl schwergetan, weil ich mich selbst eingeschränkt habe. Ich dachte lange, man erwartet von mir, dass ich den familiären Spengler- und Dachdecker-Betrieb übernehme. Ich weiß, dass mein Vater sich gefreut hätte, aber es war letztlich auch kein großes Problem für ihn, dass ich lieber etwas anderes machen wollte.
Was war Ihr größter beruflicher Rückschlag?
Rückschläge gibt es ständig. Ich war zum Beispiel nicht gut genug für das Gymnasium und musste auf die Hauptschule. All meine Freunde gingen damals aufs Gymnasium und ich fühlte mich minderwertig und ausgeschlossen. Glücklicherweise hat dieser Rückschlag meinen Ehrgeiz geweckt und so habe ich mich über Realschule, Fachoberschule und Fachhochschule bis hin zur Universität durch das gesamte Bildungssystem gearbeitet.
Ein Rückschlag ist erst dann ein Misserfolg, wenn man nichts daraus lernt.
Was würden Sie heute Ihrem jüngeren Ich raten?
Nicht so viel Zeit damit zu vergeuden, unmutig zu sein. Ich habe zu lange versucht, Erwartungen anderer zu erfüllen. Ich hätte zum Beispiel schon früher die Uni verlassen können, als ich spürte, dass meine Zukunft weniger an der Uni und mehr im Bereich Coaching und Beratung liegt. Einen Lehrstuhl zurückzugeben war aber grundsätzlich eine mutige Entscheidung, auch wenn ich etwas länger gewartet habe. Ich habe auch mal an einer Beziehung zu lange festgehalten – und ich bin mit 43 Jahren auch spät Vater geworden. Das ist schade. Aber ich tue viel, um möglichst lange fit zu sein. In meinem Gym steht an der Wand der Satz: „For my kids who get stronger and fitter every day.“ JR